Wanderer, kommst Du nach Schefflenz.
Während andere Jogmapper sich entlang von Saar und Hunsrück bequem machten
bzw. den Hardtsee sowie den Kraichgau rockten so hatte ich mir für den Samstag
ebenfalls ein kleine Nettigkeit ausgesucht: Den 1. Schefflenzer ultra. Organisiert von
der rührig kleinen LG Schefflenztal, getrieben von viel Enthusiasmus wollten die
Schefflenzer endlich auch einmal einen langen Lauf organisieren.
Zur Auswahl standen 3 Streckenvarianten: 44,2 km, 820 HM/ 50 km, 900 HM bzw.
letzteres doppelt, also 100 km/1.800 HM. Das Höhenprofil sah auf den ersten Blick gar
nicht so schlimm aus, die vielen Zacken bewegten sich doch etwa auf einer Linie…
Also flux für den 100ér gemeldet, Umfänge reduziert und Warten auf den großen Tag.
Die Wetteraussichten waren herrlich: 32 Grad im Schatten, die wenigen Waldstücke
wurden durch üppige Passagen über Feld, Wald und Flur aufgewogen. Da konnte
einem schon Bange werden.
Am Donnerstag (Christi Himmelfahrt) passierte dann das eigentlich saublöde: Beim
Hiefen irgendeines schweren Fasses nebst Inhalt holte ich mir einen gehörigen
Hexenschuß. Das war am Donnerstag abend noch gar nicht so schlimm, tat erst
Freitag höllisch weh. Also wirklich Schonprogramm, kurz bei meinem laufenden
Osteopathen angerufen. Mist der ist krank, seine Frau Marion meinte aber, macht nix
komm trotzdem heut abend bei uns vorbei. Nachmittags noch schnell nach Bad
Schönborn, ein bißchen Tria-Luft schnuppern, wenn ich schon nicht am Sonntag
zuschauen konnte. Ein wenig länger am INOV 8 Stand verweilt, zum Geldautomat
gejoggt und wieder zurück und ein paar ultraflache Straßen-Rennsemmeln erstanden.
Die liefen sich so gut, ich war am Überlegen, ob ich sie nicht am Samstag anziehen
sollte.
Dann zu Harald, wie der das immer wieder hinkriegt, das ist Magie. Wir haben uns
noch für den nächsten Tag Km 70 verabredet. Er will mit Marion Zuschauen kommen.
Am nächsten Morgen um 04.00 Uhr aufgestanden, 04.30 meinen Mitläufer Thomas
abgeholt und nach einer guten halben Stunde Fahrt waren wir am Start in
Waldmühlbach. Die Stimmung war sehr unaufgeregt, 19 Teilnehmer – davon drei
Frauen - standen bereit, eine kurze improvisierte Ansprache und um Punkt 06.00 Uhr
ging es los.
Meine Kleiderwahl ¾ Hose/kurz erwies sich als richtig, es war am Anfang etwas
windig. Schnell zog sich das Feld auseinander, die schnellen (allen voran Gernot
Helfereich vom Bärenfelslauf nebst radbegleitender Frau) legten mächtig vor, die
langsamen (Karlheinz Kobus – ultra Urgestein aus Sinsheim) ließen es gemächlich
angehen. Ich war so mittendrin und fand meinen Rhythmus. Es lief gut, sehr gute
Streckenmarkierung, die mitgelieferten Kartenausschnitte hatte ich gleich dagelassen.
Ab km 07, dem ersten VP, lief ich mit der zweiten Frau zusammen im 06:00 Schnitt,
tendenziell etwas schneller. Wir unterhielten uns prächtig, das ständige Auf und Ab
machte sich nicht wirklich bemerkbar. (Noch nicht). Zwischen km 14,5 (VP3) und 16
überholten wir die dann bis dahin Führende und liefen weiter unser Tempo.
Bei km 20 (VP3) dachte ich mir schon: bei der nächsten Runde ist die Andrea – so
hieß meine Mitläuferin - bestimmt eine halbe Stunde schneller durch. Wir liefen so bis
km 30 (VP5) zusammen, Durchgangszeit 02:55. Beim folgenden Bergaufstück legte
ich eine Gehpause ein und ließ sie ziehen, nicht ohne ihr noch viel Glück zu
wünschen. Nächster VP 6 km 35 (03:32)war malerisch schön, das ganze teils giftige
Auf und Ab zerrte aber schon ganz an der Substanz. Eigentlich sollte doch bald der
nächste VP kommen(KM 39) wo war der denn bloß? Es zog sich und zog sich. Ein
Läufer überholte mich und bestätigte mir, daß ich mich nicht verlaufen hatte. Bei km 42
kam dann endlich der lang und heiß ersehnte VP 7. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es
war mittlerweile 10.30 Uhr, die Sonne brannte. Von nun an ging es nicht mehr so giftig
bis ins nächste Dorf, ich gönnte mir ab und zu eine Gehpause. Von hinten kam die
zweite Frau wieder ran und überholte mich kurz vor dem VP 8 (km 46). Dann ging es
aus dem Dorf raus, doch was dann kam ist der Hammer: eine Steigung, die es
nochmal richtig in sich hatte. Ca. 750 m lang ca. 70 HM hoch. Wer denkt sich den so
was aus? Steil runter ins Dorf Waldmühlbach, eine letzte Erfrischung am Dorfbrunnen,
steil hoch zum Sportplatz. Die erste Runde war geschafft in 05:33. Ich kam als 11.
Rein (von 19)
Ich merkte aber auch zunehmenden Substanzverlust und taube Oberschenkel. Die
zweite Runde bin ich geruhsamer angegangen. Bei km 53 überholte ich die bis dahin
zweite Frau, lief mit ihr ein wenig, die war wirklich stehend kaputt. Als sie beim
nächsten VP nicht auftauchte bat ich die Leute nachzusehen. Etwa 5 Minuten später
trudelte sie doch ein. Was jetzt folgte war Kampf, ich behaupte mal bei allen
Mitstreitern. Ich lief an den Verpflegungsstellen immer auf 2 Läufer auf, die viel länger
als ich Pause machten. Ich lief dann in der Regel vor Ihnen wieder los, doch die
konnten einfach schneller laufen. Bei mir war definitiv nicht mehr drin als eine 08:00
Pace. Wir wurden eine richtig verschworene Gemeinschaft und gelobten uns
gegenseitig bis ins Ziel, notfalls getragen von den anderen Beiden. Bei km 70 habe ich
leider Harald verpasst, Andrea war nicht nur eine halbe Stunde schneller durch,
sondern 40 Minuten. Bis zum Ziel sollten es 1 ½ Stunden werden.
Zwischendurch ein kurzer 5-minütiger Schauer, danach ein langes Bergaufstück im
Wald, geteert, der Dampf stieg nur so auf, wir liefen wir in einer Sauna. Schon zu
Beginn der 2. Runde nahm ich mir jewils 1L Wasser mit bis zum nächste VP, die
braucht ich auch bitternötig, ich trank wie ein Kamel. Gott Sei Dank gab es an jeder
Verpflegungsstelle Salz, so blieb ich von Krämpfen – die so manch andere zur
Aufgabe zwangen – verschont. Am vorletzten VP (km 92) sagte ich zu meinen beiden
Mitstreitern, sie können ruhig ins Ziel laufen, damit sie es noch unter 13 h schaffen.
Eigentlich wollten sie nicht, doch es war die richtige Entscheidung. Ich konnte nur noch
Wandern. Letzte Verpflegung bei km 96, die Wand von Berg, das Marienbild am
Gipfel. Zähne zusammenbeißen und nochmal anlaufen, auch wenn´s weh tut. Dort
oben am Sportplatz ist das Ziel. Ich werde frenetisch bejubelt wie eigentlich jeder. Ich
bin am Ziel in 12:57:06. Meine Biel Zeit etwas unterboten und bei dieser
hammerharten Strecke und den äußeren Bedingungen. Das Härteste was ich bisher
gelaufen bin.
Andrea gratulierte mir sofort und erzählte mir dann traurig, daß die zweite Frau bei km
92 völlig entkräftet aufgegeben hat. Die kann nur 10-15 Minuten hinter mir gewesen
sein. Aber eine andere Frau, die eigentlich nur 50 Laufen wollte hat noch drangehängt
und wird mit Karlheinz Kobus ins Ziel kommen.
Fazit: Ein sehr anstrengendes landschaftlich unglaublich schönes Erlebnis, welches
nach mehrmaliger Wiederholung schreit.
So nun die Fakten:
Schefflenz Ultra, 100 km, 1.800 HM, 19 Teilnehmer, 12 Finisher
Sieger Männer: Gernot Helferich in 09:53:40 / 50 km in 04:17:24
Sieger Frauen: Andrea Schneider in 11:42:58 / 50 km in 05:12:59
Karlheinz Kobus/Susanne Hörst in 14:42.30 / 50 km in 06:05:50
http://www.jogmap.de/civic4/?q=node/171933
Autor: Jörg Usinger – 06. Juni 2011